Das große ISTS-Gemeinschaftszelt war als breite Doppelpagode kaum zu übersehen. Fiel der Blick dann auf die ungewöhnlichen Taschen, Beutel und Mäppchen der linken Zelthälfte konnte man nicht umhin, näher zu kommen und sich genauer umzusehen. Ähnlich farbenfroh wie die Hawaii-Hemden des vor Ort schwer beschäftigten Nähmaschinenprofis Andreas, präsentierten sich die Unikate in allen erdenklichen Farben, Formaten und Mustern.

Hier konnten Besucher schnell ins Gespräch kommen und der Besonderheit der Täschchen und des Zeltes allgemein auf den Grund gehen..

Andreas vom Team Surfhouse Sylt

Unter dem Motto gemeinsam nachhaltig sollten täglich wechselnd die unterschiedlichsten Nachhaltigkeitspartner des ISTS einen Raum bekommen, ‚ihre‘ Zelthälfte und somit das Programm für den Tag individuell zu gestalten.
Da kein Tag dem anderen glich, konnten sich Wiederholungsbesucher immer wieder neu überraschen lassen und die bunte Vielfalt an Nachhaltigkeitsprojekten auf Sylt kennenlernen.

Surfhouse Sylt

Mit Pop-Up Nähwerkstatt und viel Motivation begleitete uns das Surfhouse Sylt während des gesamten Events. Dirk Effler und sein Team haben einiges an nachhaltigen Konzepten zu bieten. Mit dem Ziel eines Wassersports im Einklang mit der Natur informieren sie über richtige Verhaltensweisen, präsentieren die neuesten Trends, sind Begegnungsstätte und Repair Café – und zudem noch Upcycle-Experten. Denn die bunten, selbstgenähten Taschen und Mäppchen werden aus ausgemusterten Materialien wie Strandkorbmarkisen und Kitesurfsegeln hergestellt. So erhalten diese ein zweites Leben – und die Käufer einen nachhaltigen und praktischen Alltagsbegleiter.

Gleich nebenan, in der rechten Zelthälfte, nahm zum ersten Wochenende das Mitmach-Programm richtig Fahrt auf:

Kreativ-Wochenende

… mit Freie Schule Sylt
Manch einer mag nun denken, Upcycling – ja gerne, aber geht das auch ohne ausgediente Wassersportmaterialien? Hierzu bot das Team der Freien Schule Sylt einige inspirierende Möglichkeiten.

Neuer Look für alte Kleidung

Wer Kinder hat kennt das: In einem Moment ist noch alles gut, die Kleidung der Kleinen sauber und heil, im nächsten Moment findet das Toben und die Unversehrtheit der Hose ein plötzliches Ende. Doch deswegen gleich in die Tonne mit dem kaputten Teil? Viel zu schade! – Die Künstlerin Frieda Montefusco zeigte, wie man solche Kleidungsstücke reparieren kann, aber auch wie Kleidung, an der man sich schon sattgesehen hat, durch kleine Stickereien einen neuen Look bekommt.

Während die Erwachsenen nähten, ging es am Basteltisch hoch her. Alte Kataloge und Zeitschriften wurden – sehr zur Freude der Kleinen – zunächst in viele farbenfrohe Papierschnipsel zerfetzt, welche dann auf altem Karton zu Quallen, Seepferdchen oder Haien zusammengeklebt und als Zeltdekoration aufgehängt wurden. Gerade die flatternden Medusen-Tentakel boten schon von Weitem einen tollen Anblick!

Auch diejenigen, deren Geduld oder Fingerspitzengefühl nicht ausreichte, waren gut aufgehoben: Die Filmvorführung School of Trust gab spannende Einblicke in die Philosophie der freien Schule und eine alternative Perspektive zur Frage ‚Wie kann Lernen gestaltet werden, um den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen und den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden?‘

 

Ähnlich und doch ganz anders gestaltete sich das Kreativ-Wochenende am darauffolgenden Sonntag…

… mit der Schutzstation Wattenmeer
Nadel und Faden verschwanden, stattdessen kamen Kleber und Buntstifte auf den Basteltisch. Aus Alltagsgegenständen wie Eierkartons oder Korken entstanden Krebse und Leuchttürme. Manchmal war es gar nicht so einfach, Löcher zu bohren und den Draht hindurch zu fädeln, zum Glück waren die Freiwilligen der Schutzstation Wattenmeer zur Stelle und halfen bei den Feinarbeiten.
In einer Sandkiste hatten sie außerdem allerlei Strandfunde vergraben, die es auszubuddeln und zu bestimmen galt. Was genau man da in der Hand hielt, war oft sehr rätselhaft. Mal eine eigenartige Muschelform, mal bunte Plastikfäden oder seltsame schwarze Gebilde – mit Tablet und BeachExplorer App konnte der Sache auf den Grund gegangen werden und Schwertmuscheln, Dolly Ropes und Rochen-Eikapseln als solche identifiziert werden.

Neben gebastelten Kunstwerken und Wiederverwertungsideen konnten Besucher viel Wissenswertes rund um das Wattenmeer und die große Bedeutung des Naturschutzes für diesen einzigartigen Lebensraum mitnehmen.


Eine andere Perspektive auf Sylt entdecken

… mit dem Alfred-Wegener-Institut
Wer Montag morgens an der Promenade entlang schlenderte, dessen Blick blieb unweigerlich an dem Glasbehälter auf dem Hochtisch hängen… Ein echter Seestern?!
Gleich daneben konnten Miesmuscheln und Strandseeigel in provisorischen Aquarien aus nächster Nähe bestaunt werden. Ob Seespinne, Schwimmkrabbe oder Strandkrabbe – dem ungeübten Auge fiel es schwer, die Meeresbewohner fehlerfrei zu benennen. Nur gut, dass gleich fünf Wissenschaftler des AWI bereit standen, um alle Fragen zu beantworten.

Auch Vorträge standen auf dem Programm: Es ging um die Entstehung des AWI und vor allem darum, wie die „Forschung vor der Haustür“ aussieht – Wie genau läuft der Forschungsalltag vor Ort in List ab? Wann, wie und wozu werden z.B. Wasserproben genommen? Anschauliche Plakate und Flyer zeigten, welche Tier- und Pflanzenarten bisher in unser Wattenmeer eingewandert sind; die Forscher erläuterten aber auch, was ihre Forschungsergebnisse für Küstenschutz und Klimawandelanpassungen auf Sylt bedeuten. Durch die mitgebrachten Laborkittel und Wathosen konnte man sich außerdem bildlich vorstellen, wie Forschung im Alltag aussieht.

Diese wissenschaftliche Perspektive auf Sylt wurde am nächsten Tag von einer ganz anderen ergänzt…

… mit Uta Krüger
Hallo! Ich bin’s, die Insel Sylt! – Erstaunt blickten sich die Vorbeigehenden um.
Uta Krüger begann ihre Inselgeschichte, die viele fast magisch von der ersten bis zur letzten Zeile in ihrem Bann hielt. Sylt erzählt hierbei von Anfang an, wie sie aus den Eiszeiten entstanden ist, wie sie den Veränderungen ihrer Dünenlandschaft durch Stürme zusieht, und wie sie möglicherweise in Zukunft aussehen wird. Sie erzählt von der Besiedlung durch Menschen und von den ersten Touristen. Sie zeigt ihre Gefühle – positive und negative. Sie empfindet Freude über Pflanzen und Tiere, die auf ihr leben, und Kinder, die auf ihr spielen. Ärger über Menschen, die ihre Schönheit nicht wertschätzen und sich verantwortungslos benehmen.
Ein kleiner Appell an alle, die Wirkung unseres eigenen Verhaltens auf die schöne Insel, auf der wir uns so gerne aufhalten, zu überdenken und ihr vielleicht etwas zurückzugeben.

Sylt – ich bin eine Insel

Wer die warme Stimme der Autorin nicht live miterleben konnte, auch ohne Lesung machen die wunderschönen Aquarelle und einfühlsamen Texte dieses Buch zu etwas ganz Besonderem – für Jung und Alt!

Natur pur

… mit Verein Jordsand
Die zweite Wochenhälfte widmete sich ganz dem ökologischen Part der Nachhaltigkeit und es stand hoher Besuch ins Zelt: Naturschutzbotschafterin Charlie persönlich ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit dem Verein Jordsand und uns einen Tag im Nachhaltigkeitszelt zu verbringen. Sichtbar abgehärtet von ihrer Outdoor Arbeit bei Wind und Wetter, spielte sie in kurzer Hose mit großen und kleinen Besuchern ein ums andere mal das Zugvogelspiel. Hier konnten die Spieler den Lebensweg eines Alpenstrandläufers nachempfinden – mit allen Höhen und Tiefen. Wer schafft es wohl, mit möglichst viel Energie im Ziel anzukommen? Gar nicht mal so leicht als Zugvogel:

– Du bist müde und willst rasten, doch genau hier breitet sich ein Ölteppich aus – flieg weiter (du verlierst 2 Energiepunkte)
– Wegen freilaufender Hunde in deinem Brutgebiet musst du auffliegen (du verlierst 2 Energiepunkte)
– Du findest ein geschütztes Brutgebiet und genug Beute, du kannst dich satt essen (du gewinnst 1 Energiepunkt)

Dass nur wenige mit genug Energie im Ziel ankommen, um Jungen großzuziehen und für die Arterhaltung zu sorgen, stimmt einen nachdenklich. Auch der Gewichtsvergleich der mitgebrachten Vogel-Säckchen (Bild links) ist eindrucksvoll. Mit eigenen Händen den Unterschied zu heben zwischen einem fettgefressenen Vogel und einem, der eben erst auf den Sylter Wattflächen angekommenen ist, zeigt umso mehr, wie wichtig Naturschutzgebiete wie das Rantumbecken nicht nur für Brutvögel aber für die allgemeine Artenvielfalt sind.


… mit Naturschutzgemeinschaft Sylt
Neben dem Schutzgebiet am Rantumbecken, wird auch am Morsumer Kliff und in der Braderuper Heide besonders darauf geachtet, dass die Natur dort weiterhin für uns und für zukünftige Generationen erhalten bleibt. Darum kümmert sich die Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V. mit vielen Freiwilligen, BFDlern, FÖJlern und Praktikanten. Ihren Ansatz, schon Kinder spielerisch die Natur erleben zu lassen, setzten sie bei uns im Zelt mit einem einmaligen Naturdruck-Workshop um.

Federn, Muscheln, Blätter – alles was die Natur so hergibt wurde gesammelt, mit Farben bemalt und auf Papier gedruckt: Das Ergebnis: eine wunderbar bunte, individuelle Postkarte durch die man sich noch lange an den Sylt-Besuch und die einzigartige Natur der Insel erinnern wird.


Aktiv am Wochenende

… mit Patron e.V.
Am Freitag bekamen wir Besuch aus der südlichen Ecke Deutschlands. Die eigentlich aus dem Allgäu stammenden Aufräumprofis von Patron e.V. gaben den Startschuss für die ersten Sylt CleanUp Days.
Sylt aufräumen – wie der Name bereits vermuten lässt, war das Ziel. Viele Partner auf der ganzen Insel, ob Einheimische oder Besucher, ließen sich für diese Aktion begeistern: Einige standen als Ausgabe- oder Müllsammelstationen bereit und statteten die Helfer mit robusten Beuteln und Edelstahlzangen aus bzw. nahmen den gesammelten Müll an und entsorgten ihn korrekt. Andere liefen ihre Lieblingsspazierrouten oder Inselerkundungstouren und sammelten währenddessen Müll ein. So war es ein Leichtes, die Sylter Natur, den September-Sonnenschein und das Gefühl, gemeinsam etwas Gutes zu tun, zu genießen.

Doch das war längst nicht alles! Im ISTS-Zelt an der Promenade sorgte Daniela Dee Kohler mit der bemerkenswerten Kombination aus ihrer Stimme und Trash Music für viele Neugierige. Fjällräven zeigte, wie abgenutzte Kleidung wieder frisch aussehen kann während mit der Surfrider Foundation und Plasticfree Peaks ein kreatives Kunstwerk aus den Fundstücken der CleanUps entstand. Gesammeltes Plastik, Zigaretten oder sogar Socken wurden farblich sortiert und als interessantes Motiv drapiert.

Das, was allen Beteiligten in Erinnerung bleiben wird, ist sicherlich das Erlebnis, individuell und doch verbunden engagiert zu sein (circa 100 Aktive liefen zusammen etwa 120 km). Wobei – auch das großartige Abschlusskonzert mit Lore Vain wird wohl keiner so schnell vergessen!

Aktiv ging es auch am Samstag weiter..

… mit Meerleben e.V. 
Deine Welle – Dein Leben: mit diesem Ziel will das Team von Meerleben e.V. seine Leidenschaft für das Surfen in ihrer Heimat Sylt auch Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankung oder anderen Indikationen weitergeben. Die einzigartige Kombination von Surftherapie, Erlebnispädagogik und Kreativangeboten am und im Meer soll Kids helfen, ihr Selbstvertrauen wiederzugewinnen und leichter zurück in den Alltag zu finden.

Da im Zelt leider Wasser, Wellen und Boards nicht zur Verfügung stehen konnten, haben sich die engagierten Vereinsmitglieder eine Alternative einfallen lassen: Mit einem kreativen Nähworkshop hatten nicht nur Kinder sondern auch Erwachsene die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren und den ein oder anderen Kniff an der Nähmaschine (wieder-)zu erlernen. Aus alten Jeansstoffen und bunten Fäden entstanden individuell gestaltete Mäppchen. Geduldig und empathisch begleitete Danielle jeden Versuch, bis die Kinderaugen glücklich auf das Endergebnis blickten und stolz funkelten.

Am Zelteingang standen Mützen und ‚Cancer sucks‘ Lollies zum Verkauf. Letztere boten die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen bis zu 1€ mehr zu zahlen, um so für die wichtige Vereinsarbeit zu spenden.

Ein achtsamer Abschluss

… mit Johanna Katzera
Nach den unterschiedlichen Aktivitäten und Aktionen gelang mit der Autorin Johanna Katzera ein achtsamer Abschluss der Nachhaltigkeitstage.

Mit einer Lesung „Weniger ist mehr – zurück zum Wesentlichen“  nahm sie interessierte Passanten und treue Fans mit auf die Reise zu mehr Achtsamkeit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit im Alltag. Die strahlende und in sich ruhende Autorin plädiert leidenschaftlich und kompetent für einen achtsameren Umgang mit uns selbst und mit unserer Welt. Sie wünscht sich mehr Authentizität und Einfachheit. In Seminaren und Coachings gibt sie Impulse, wie wir in unserem Alltag Kraft schöpfen und unser Leben nachhaltig und positiv gestalten können.
Wer das Glück hatte vor Ort zu sein, erlebte eine inspirierende und motivierende Lesung mit Auszügen aus Johanna Katzeras vier bisher veröffentlichten Büchern – für eine bessere Welt in uns und um uns herum.

 

Forschen, Basteln, Nähen, Spielen, Zuhören – so vielfältig, informativ und vor allem inspirierend war das Programm der unterschiedlichen Nachhaltigkeitspartner. Dennoch, diese Aufzählung reicht bei Weitem nicht aus, um die facettenreichen Aktionen im Nachhaltigkeitszelt während des Windsurf World Cups zu beschreiben. Man muss einfach dabei gewesen sein!

Eines ist wohl jedem während der 10 Tage deutlich geworden: Nachhaltigkeit auf der Insel Sylt ist bunt, kreativ und vielfältig!