Neben den Hochalpen gehört das Wattenmeer zu den letzten großen Wildnisgebieten Europas, weswegen es von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt wurde. Einen Eindruck von der Wattnatur bekommt man, wenn man einmal die Gelegenheit hat, bei Ebbe aus größerer Höhe hinab aufs Watt zu schauen. Aus dem Flugzeug betrachtet sieht das Wattenmeer aus wie eine faszinierende, riesige Schlammlandschaft, die von mächtigen Rinnen durchzogen wird und sich immer mehr in kleine Priele verästelt. Ganz anders der Blick aus der Wattwanderer-Perspektive. Lassen Sie sich bei einem Urlaub auf Sylt das Erlebnis Watt auf keinen Fall entgehen.
Ebbe und Flut
Das Wattenmeer und damit auch Lebensbereiche der Insel werden von Ebbe und Flut geprägt. Das wird ganz deutlich, wenn man sich zu verschiedenen Tageszeiten an die Ostseite der Insel begibt und das Wattenmeer beobachtet. Aber welche Kräfte bewirken, dass Millionen von Kubikmetern Wasser einfach zu verschwinden scheinen und dann wieder auftauchen?
Ebbe und Flut entstehen aufgrund der Anziehungskraft von Sonne und Mond sowie aus den sich ergebenden Fliehkräften, die durch die Rotation dieser Gestirne verursacht werden. Jeder weiß, dass der Mond um die Erde kreist. Die Masse des Mondes zieht dabei die Erdmasse an der zugewandten Seite etwas an. Besonders das Wasser der Ozeane. Dadurch entsteht ein Flutberg auf der dem Mond zugewandten Erdseite.
Dieser zeigt sich in Form von Wellen oder im Watt durch Einströmen von Wassermassen. Weil aber Erde und Mond gemeinsam noch um sich selbst und um die Sonne kreisen, entwickeln sich auch Fliehkräfte, die auf der gegenüberliegenden Seite einen Flutberg entstehen lassen. Dadurch entstehen jeden Tag an gegenüberliegenden Küsten des Erdballs gleichzeitig die Gezeiten.
Sonderfälle sind die Springtiden, die zweimal im Monat bei Voll- und Neumond passieren, wenn Sonne, Mond und Erde in einer Linie stehen und sich die Anziehungskräfte addieren. Bei der hochauflaufenden Springtide und Starkwinden aus Süd- oder Nordwest kann es dann auch zu Sturmfluten kommen. Die Form der Küstenlinie und die Tatsache, dass die kosmischen Kräfte vor allem auf die Ozeane direkt wirken, verkomplizieren das tatsächliche Geschehen.
Ein Muss in jedem Sylt Urlaub: Wattwanderung
Wer mehr über das Wattenmeer vor Sylt, seine Eigenheiten, Besonderheiten und Bewohner erfahren möchte, der muss wattwandern. Karten für geführte Wanderungen erhalten Sie in den Tourist Informationen des Insel Sylt Tourismus-Service sowie online.
Wichtig: Auf gar keinen Fall sollten Sie auf eigene Faust eine Wattwanderung unternehmen! So harmlos das Wattenmeer bei Ebbe auch aussieht, so schnell kann die Flut den idyllischen Nationalpark wieder vereinnahmen.
Tiere des Wattbodens
Dass das Wattenmeer ein gewaltiger Lebensraum ist, erkennt man oft erst auf den zweiten Blick, denn das meiste Leben steckt verborgen im Schlick. Das Entscheidende im Watt ist die Masse von Tieren, nicht die Artenanzahl.
Auffällig sind die Sandschnüre des Pierwurms, die auf dem Sandwatt kompakte Häufchen bilden. Der bis zu 40 cm lange Wurm lebt in einer J-förmigen Röhre, in die er fortwährend Seewasser pumpt und das nahrhafte Plankton herausfiltert. Ein anderer Vertreter des Sandwatts, der diese Strategie noch verfeinert hat, ist der Bäumchenröhrenwurm. Er bildet kleine Verästelungen aus zusammengeklebten Sandkörnern an der Oberfläche, die das Plankton wie ein Sieb aus der Strömung fangen.
Das Mischwatt wird vom Gummibandwurm besiedelt, welcher genau so aussieht wie er heißt. Sein zweiter Name ist „Kotpillenwurm“. Auch diesem macht der Wurm alle Ehre, weil er kleine schwarze Kügelchen an der Wattoberfläche hinterlässt und dadurch das Mischwatt markiert.
Das weiche Schlickwatt wird von der sagenhaften Wattschnecke dominiert. Die ist nicht größer als ein Stecknadelkopf und kommt an manchen Stellen mit bis zu 120.000 Exemplaren pro Quadratmeter vor. Flankiert wird sie vom Schlickkrebs, der nicht größer als 1 cm wird und mit seinen Scheren geweihartige Spuren in den Schlick kratzt, um Nahrung zu sammeln. Überall im Watt huschen noch die handtellergroßen Strandkrabben über die Oberfläche und erbeuten alles, was sie kriegen können.
Wie das Watt entsteht? Bei Ebbe strömt das Wasser aus dem Tidebecken in die offene Nordsee. Diese „Wege“ werden Priele und Tiefs genannt. Es sind die „Flüsse“ des Wattbodens, über die der Wasseraustausch mit der offenen See stattfindet. Etwa alle 12 Stunden fällt der Wattboden trocken.
Vögel und Fische
Das Wattenmeer gilt als die „Drehscheibe“ des internationalen Vogelzuges. Hier landen zweimal im Jahr bis zu 12 Millionen Gefiederte, um sich den Magen mit Würmern, Krebsen und Muscheln voll zuschlagen. Soviel „gedeckten Tisch“ gibt es zwischen Ostafrika und Sibirien nur hier bei uns im Watt. Der „Treibstoff“ muss viele Tausend Kilometer reichen, um einen Non-Stop Flug zu schaffen: Im Frühjahr ins sibirische Brutgebiet und im Herbst für den Rückweg nach Frankreich, Ostafrika, sogar bis in die Antarktis. Ein Teil der Vögel bleibt im Sommer aber auch hier am Watt, um zu brüten: Austernfischer, Uferschnepfen, Sandregenpfeifer, Brandenten, Seeschwalben… um nur einige Küstenvogelarten zu nennen.
Wenn die Flut kommt, sieht das Watt wieder wie ein richtiges Meer aus. Die Strömung läuft zwischen den Inseln ein und bringt Fische, Krabben und Krebse mit. Schließlich gilt das Wattenmeer als Kinderstube der Nordseefische. Hier in den wärmeren und nährstoffreichsten Gefilden wachsen die Schollen, Klieschen und Seezungen, ebenso wie die Miesmuscheln und Nordseekrabben.
Pflanzen im Watt
Die Pflanzen im Watt sind nicht weniger interessant als die Tiere, aber oft noch unscheinbarer.
Der goldgelbe Überzug auf manchen Schlickflächen wird von Kieselalgen erzeugt. Bei genauerem Hinsehen kann man sogar die kleinen Sauerstoffbläschen entdecken, die von bis zu einer Million Kieselalgenzellen pro cm2 erzeugt werden. Etwas handfester sind die Großalgen im Watt: der grüne Meersalat ist tatsächlich essbar. Er liegt einfach wie ein Salatblatt auf der Wattoberfläche und lässt sich bei Flut treiben.
Der Blasentang hat eine andere Strategie: die Braunalge klebt sich an festen Elementen, wie Muschelschalen, Steinen oder Holzbuhnen fest. Wenn die Flut kommt, sorgen die Blasen des Pflanzenkörpers für Auftrieb, der Tang steht aufrecht wie ein Bäumchen im Wasser und kann kräftig Photosynthese betreiben. Damit bei der Gelegenheit nicht ganze Muschelbänke durch Blasentang aus der Verankerung gerissen werden, hat die wunderbare Natur es so eingerichtet, dass auf Miesmuschelbänken nur der blasenlose Blasentang wächst.
Den Übergang zur Salzwiese bildet der kaktusähnliche Queller, der wie eine Wüstenpflanze Wassermangel hat, obwohl er alle 12 Stunden geflutet wird. Aber es geht halt um lebensspendendes Süßwasser, das er in seinem Pflanzenkörper speichert. Das hohe Schlickgras wurde aus Amerika eingeschleppt und bildet in der Gezeitenzone rundliche Horste.