Danielle und Florian Gränert sind die Initiatoren des Meer Leben-Projektes für therapeutisches Surfen. Wie es dazu kam und was genau die beiden machen, erfahren Sie in diesem unfassbar interessanten Interview:

Steckbrief:


Wie bzw. wann seid ihr auf Sylt gestrandet?

Florian: Ich bin 1999 direkt nach meinem Abi auf die Insel gezogen, um meinen Zivildienst in der Lebenshilfe anzutreten. Das Thema Surfen war schon damals mein Lebensmittelpunkt und schnell war klar, dass ich gekommen bin, um zu bleiben. Hier fand ich die besten Freunde der Welt, konnte mich beruflich verwirklichen und lernte die Frau meines Lebens kennen.
Danielle: Vor ca 15 Jahren war ich mit meiner damals dreijährigen Tochter selber in der Syltklinik zur Reha. Dort bin ich Florian das erste Mal begegnet. Ca. 2 Jahre später waren wir erneut dort und Florian war auch noch da. Ich habe mich in den Mann und die Insel verliebt.

Hobbys?
Danielle: Ich bin gern kreativ, besonders an der Nähmaschine sitze ich viel. Am Meer zu sein, darf bei uns natürlich nicht fehlen. Ich liebe es auf dem SUP zu stehen. Natürlich bei ruhiger See. Seit Anfang des Jahres reite ich sogar, als Anfänger habe ich da noch eine Menge zu lernen.
Florian: Surfen, Skaten, Joggen, Boxen. Alles, was mich fordert und mich an meine Grenzen bringt.

Was ist der Soundtrack eures Lebens?
Danielle: Ich glaube nicht, dass es einen Soundtrack unseres Lebens gibt. Ich höre unheimlich gern 21 Pilots, weil wir sie sehr viel auf unseren Touren durch Dänemark und Portugal gehört haben. Die Musik zu hören, gibt mir daher immer ein Gefühl von Freiheit, Familie, Liebe und Sommer…. Derzeit ist mein Lieblingssong allerdings „Denmark“ von Jules Ahoi.
Florian: Schon als Teenager habe ich in einer Punk Band gespielt. Laute und schnelle Gitarren brauche ich auch heute noch. Feine Sahne Fischfilet und Bands wie Turbostaat feiere ich total. Da steht Danielle eher nicht so drauf, einigen können wir uns auf Jules Ahoi und TwentyOne Pilots.

Über welchen Film habt ihr am heftigsten diskutiert?
Danielle: Über Filme müssen wir eigentlich nicht diskutieren, denn Florian lässt mich immer meine „Heile Welt“ Filme sehen. Ich stehe nicht so auf Blut, Zombies oder Ähnliches. Es gibt schon genug Schlimmes auf der Welt, dann schau ich lieber was fürs Herz. Ein guter Tatort oder Nord Nord Mord muss natürlich sein. Diskussionsstoff liefert da nur mal die teilweise schlechte Umsetzung. Die letzte Nord Nord Mord Folge war ziemlich mies.
Florian: Den Film, den ich mit am meisten schätze und am häufigsten gesehen habe, ist mit Abstand „Ziemlich beste Freunde“. Den habe ich während meiner Zeit als Erzieher oft mit den Kids geschaut. Tolle Message, starker Film!!

Welches Buch hat euch nachhaltig beeindruckt?
Danielle: Was Bücher angeht, habe ich die gleiche Vorliebe für eher seichte Kost. Nachhaltig beeindruckt da nichts, ist aber oft zum Lachen und das mag ich. Am liebsten lese ich Bücher von Ildiko von Kürthy
Florian: „Dorfpunks“ von Rocko Schamoni und alles von Heinz Strunck.

Leben auf der Insel, was bedeutet das für euch?
Danielle: Das Leben auf der Insel ist ein ganz besonderes Gefühl für mich. Ich bin nicht hier geboren und manch einer ist der Meinung, ich darf mich nicht Sylterin nennen. Aber ich liebe die Insel, sie ist mir eine Heimat geworden und bedeutet, Liebe, Freiheit, Selbstfürsorge. Hier fühle ich mich angekommen.
Florian: Auch wenn ich gebürtiger Kieler bin, ich lebe seit über 20 Jahren hier: Hier ist meine Heimat, mein Zuhause. Mein sicherer Hafen und Rückzugsort. Ich fühle ich mich frei und hab eigentlich alles, was ich zum Leben brauche.

Interview mit Danielle und Florian

Meer Leben Surf: Was genau steckt dahinter und wie ist die Idee für eure Surf Therapie entstanden?
Das Wellenreiten war schon immer meine Leidenschaft, mein Anker bzw. meine Kraftquelle, wo ich runterkommen und abschalten konnte, aber auch neue Energie für den Alltag getankt habe. Bevor ich in den Bereich der Sporttherapie gewechselt bin, war ich über 10 Jahre als Erzieher im pädagogischen Bereich der SyltKlinik tätig. Die Arbeit mit krebskranken Kindern, Jugendlichen und ihren Familien hat mir damals wie heute sehr viel bedeutet, war zum Teil aber auch sehr herausfordernd. Bei einer Surf Session hat es dann irgendwann „Klick“ gemacht und ich dachte, was mir gut tut, müsste für unsere erkrankten Kids doch ein unglaubliches Erlebnis sein. Und so war ich 2006 mit den ersten Kids im Wasser. Zu der Zeit existierte der Begriff „Surf Therapie“, zumindest in Deutschland, nicht. Seitdem konnten wir unser Projekt stetig ausbauen und immer mehr Kids den Zugang zur Surf Therapie ermöglichen.

An wen richtet sich euer Surf Therapie-Angebot? Wer kann daran teilnehmen?
Wir realisieren unsere therapeutischen Surf Einheiten momentan primär für onkologisch erkrankte Kids und ihre Geschwisterkinder. Wir können mittlerweile auf über 15 Jahre Praxiserfahrung zurückgreifen und unser Team wächst kontinuierlich. Dementsprechend können wir auch Kids mit anderen Indikationen oder besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit geben, von dieser einmaligen Form der Therapie zu profitieren.

Was kann eine Surf Therapie bei Kindern und Jugendlichen bewirken?
Die Surf Therapie bietet, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, unglaublich viel Potenzial. Die Kids haben die Chance, sich körperlich zu stabilisieren. D. h., dass viele Kids auf spielerische Art und Weise an ihrer Kraft und Ausdauer arbeiten können. Gleichgewicht, Muskeltonus, Körperwahrnehmung und Koordination werden durch die Bewegungen im Wasser und auf dem Board geschult und deutlich verbessert. Erfolgserlebnisse, „Flow“ Erfahrungen und der Austausch mit Gleichaltrigen tragen zu einer seelischen Stabilisierung der Kids bei. Das Gleiten auf einer Welle kann überwältigende Glücksgefühle freisetzen, wodurch neue Kräfte für die Bewältigung des Alltags aktiviert werden können.

2020 habt ihr den gemeinnützigen Verein Meer Leben e. V. gegründet. Was hat es damit genau auf sich?
Wir haben uns dazu entschlossen, unseren eigenen gemeinnützigen Verein zu gründen, um in Zukunft unabhängiger zu sein und künftig jedem Kind den Zugang zur Surf Therapie zu ermöglichen. Deshalb haben wir 2020 den Meer Leben e. V. gegründet. Unser Ziel ist es, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in besonderen Lebenssituationen befinden, durch sporttherapeutische und erlebnispädagogische Angebote und Projekte zu begleiten, zu fördern und sie nachhaltig für ihren Alltag zu stärken.

Meer Leben Surf

Was ist für euch das Besondere an der therapeutischen Arbeit mit dem Element Wasser und was bedeutet es für die Kinder und Jugendlichen?
Das Besondere an der therapeutischen Arbeit mit dem Element Wasser ist, dass wir das Therapiezimmer quasi nach draußen in unsere wunderbare Natur verlegen und das Meer als „Co-Therapeut“ natürlich einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Kids hat. Wellen haben eine hohe Anziehungskraft und üben eine ganz besondere Faszination aus. Dieses intensive Erleben der Natur motiviert und kann enorm wertvoll sein, die Folgen von chronischen Erkrankungen, Handicaps oder besonderen Lebenssituationen zu überwinden.

Was war das schönste Erlebnis im Rahmen eurer Arbeit mit den Kids?
Jede Surf Session, jedes Angebot birgt so viele tolle Momente und Augenblicke, für die wir als Team extrem dankbar sind. Die Kids begleiten zu dürfen und hautnah dabei zu sein und zu erleben, wie sie beispielsweise das erste Mal überhaupt im Meer sind. Zu sehen, wie die Kids in kurzer Zeit riesengroße Fortschritte machen. Am Anfang kaum den Weg zum Strand schaffen und dann irgendwann vor den Augen der überglücklichen Eltern Wellen im Stehen surfen, das sind sehr emotionale und unvergessliche Augenblicke.

Was macht Sylt so besonders für euer Projekt?
Hier kommt einfach alles zusammen. Die unglaubliche Natur, der Wechsel der Jahreszeiten. Klar, woanders gibt es sicherlich bessere und konstantere Bedingungen für therapeutische Surf Einheiten. Aber hier ist unser Zuhause und wir finden immer wieder Lösungen und passen uns den Kids und ihren Bedürfnissen an. Mittlerweile sind wir so weit, dass wir die Surf Therapie nicht nur auf die Sommermonate beschränken, sondern ganzjährig realisieren können. Ohne unser großartiges Team wäre dies nicht denkbar. Ohne Angelo, Jan und Sönke, Dagmar und unsere Kreativabteilung mit Lars und Carina wären wir längst nicht so weit wie wir sind.

Habt ihr eine Vision für Sylt 2030?
Wir arbeiten hart für unseren Traum eines eigenen Therapiezentrums. In Zukunft soll jedes Kind, jeder Jugendliche und junge Erwachsene den Zugang zur Surf Therapie bekommen. Dafür benötigen wir die erforderliche Infrastruktur. Dazu gehört ein fester Standort und die nötigen finanziellen Mittel. Das Thema Nachhaltigkeit begleitet uns schon von Beginn an und ist ein zentraler Punkt unseres Konzeptes. Als Surfer setzt man sich automatisch mit den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit auseinander. Während unserer Therapie Einheiten und Workshops greifen wir diese Themen immer wieder auf und letztendlich ist das Thema Nachhaltigkeit in jedem unserer Angebote, sei es Surfen, Skaten, Angeln oder Nähen fest verankert und wir arbeiten daran, unseren Impact so gering wie möglich zu halten und unsere Kids für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir hoffen wirklich sehr, dass wir dadurch auch zu einem bewussteren und nachhaltigeren Tourismus auf der Insel beitragen können.

Was würdet ihr euch für die Zukunft eures Vereins wünschen? 
Wir als Verein freuen uns auf viele neue Mitglieder, die mit uns aktiv etwas bewegen möchten und wir freuen uns auf möglichst viele Partner und Unterstützer, die uns die dafür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Liebe Danielle, lieber Florian, toll, dass ihr euch die Zeit für die Fragen genommen habt!

Und vielen Dank auch an den Fotografen für die tollen Surf-Impressionen!
>> Lars Jockumsen.