Das ist es, was Heike Werner und Carin Winkler mit Ihrer Initiative „Bye Bye Plastik Sylt“ antreibt. Eine Initiative, die wir einfach großartig finden und die wir Ihnen hier vorstellen möchten. Ein Interview mit den Initiatoren: 

Die Initiative Bye Bye Plastik gibt es seit 2018. Sie hat ihren Ursprung auf der dänischen Insel Bornholm. Im Juni 2019 haben sie die Initiative auf Sylt gestartet.

Was war Ihr persönlicher Antrieb, sich ehrenamtlich für eine plastikfreie Insel zu engagieren?

Bei der Europawahl im Mai 2019 haben ungewöhnlich viele Sylter eine Partei gewählt, die sich für Umweltschutz einsetzt. Da Sylter klassisch eher konservativ wählen, wussten wir genau, jetzt ist der richtige Zeitpunkt etwas zu starten. Über die Bloggerin Louisa Dellert hatte wir mal gehört, Bornholm wird plastikfrei und dachten, das kann Sylt doch auch.
Unsere Idee war, uns auf positive Art & Weise für eine plastikfreie Zukunft zu engagieren, denn das Meer ist voll von Plastikmüll, Tiere sterben daran, unser Plastik ist inzwischen selbst im grönländischen Eis angekommen und landet inzwischen in Form von Mikroplastik schon wieder bei uns auf dem Teller.

Was genau macht die Initiative Bye Bye Plastik auf Sylt, können Sie Ihr Engagement kurz skizzieren?

Bye Bye Plastik möchte den gemeinsamen Einsatz für eine plastikfreie Zukunft in der Öffentlichkeit transparent machen und damit andere inspirieren dabei zu sein. Daher verteilen wir sogenannte Bye Bye Plastik Smileys an Unternehmen wie Cafés, Imbisse, Hotels, aber auch an Kindergärten, Institutionen, die sich entscheiden auf Einwegplastik wie z. B. Plastikbecher, Plastikdeckel, Plastikbesteck, Plastiktüten, Plastikflaschen, To-Go Verpackungen wie für Sandwiches oder Salat, aber auch kleine Portionspackungen wie für Sahne oder Ketchup zu verzichten. Auch jeder Einzelne kann etwas tun. Unsere Philosophie ist: Wenn allein nur die Sylter (wir sind knapp 18.000 Einwohner) jeden Tag ein Stück Plastik weniger verbrauchen und ein Stück Plastik am Wegesrand, am Strand oder in der Natur aufsammeln, sind das mehr als 13.000.000 Stücke Plastik weniger im Jahr! Wenn der eine oder andere Gast sich daran noch beteiligen könnte, wäre das natürlich toll! Wir haben viele Aktionen organisiert wie Beach Cleanups, Plastikfrei Challenges oder auch eine Ideenbörse. Das Tollste daran ist, dass die Sylter und auch viele Gäste Spaß daran haben, teilzunehmen. Egal was wir veranstalten, es kommen immer viele Teilnehmer und ja, das ist einfach klasse.

Gerade letzte Woche wurden wir von Bye Bye Plastik Sylt für unsere Plastikfrei Challenge im November 2020 im Rahmen der europäischen Woche der Müllvermeidung für den EU Award nominiert und dürfen nun Deutschland in der Kategorie “Bürgerinnen” in Brüssel vertreten.

Was ist seitdem auf Sylt in puncto Plastikvermeidung passiert? Was sind für Sie die größten Erfolge?

Wir sind stolz darauf, dass wir bereits 25 Bye Bye Plastik Smileys vergeben konnten und auch durch Gespräche vieles bewirken konnten. Vor der Eröffnung des Denn‘s Bio-Supermarktes im September 2019 sind wir mit dem Betrieb in Kontakt getreten und haben darum gebeten, nur loses oder nicht in Plastik verpacktes Obst und Gemüse anzubieten. Und voila – die Geschäftsleitung hat es sich zu Herzen genommen und achtet bis heute genaustens auf dessen Umsetzung.

Wir denken, wir haben unsere Insel ein wenig für das Plastikmülldesaster sensibilisiert und sind sehr stolz darauf, dass wir mit unserem Cartoonisten Per Sild gemeinsam Cartoons entwickelt haben, die z. B. dazu einladen Meeresmüll einzusammeln und inzwischen auf der ganzen Insel zu finden sind. Wir würden fast sagen, Müllsammeln ist salonfähig geworden. Unsere beliebteste Aktion ist allerdings Bracenet Sylt. Wir haben auf Sylt angeschwemmte Fischernetze und die Firma Bracenet zusammengebracht, die wiederum aus alten Fischernetzen Armbänder herstellen und ein Teil des Erlöses an Taucher spenden, die weitere Netze aus dem Meer bergen. Nach dem Sturm vergangene Woche haben wir gerade wieder weitere vier Fischernetze eingesammelt, die in Hörnum, Kampen und List angespült wurden.

Haben Sie sich persönlich, aber auch für Bye Bye Plastik konkrete Ziele für das Jahr 2021 gesetzt?

Wir arbeiten aktuell an einer Weiterentwicklung unserer ehrenamtlichen Initiative: Bye Bye Plastik 2.0.
Durch vier Online Veranstaltungen mit dem Umweltbundesamt im Herbst 2020 mit dem Titel “Runder Tisch Meeresmüll” haben wir gelernt, dass Deutschland gerne forscht, aber wenig umsetzt. Das hat uns in unserer pragmatischen Ausrichtung bestätigt und auch motiviert, umsetzbare Handlungsempfehlungen für z. B. Gemeinden zu entwickeln. Lassen Sie sich überraschen und schauen sie ab und zu mal auf www.byebyeplastik.com vorbei.

• Was wünschen Sie sich von der Politik? Wünschen Sie sich z. B. mehr Regulierung und ein stärkeres Eingreifen, oder appellieren Sie an das bewusste und freiwillige Mitwirken jedes Einzelnen?

Als wir im letzten Jahr auf der Gastromesse eingeladen waren und mit vielen Unternehmern ins Gespräch kamen, waren wir doch zuweilen schockiert über deren Ansichten wie ”die Leute wollen Plastiktüten” oder “wir können aufgrund unserer Kaffeemaschine und der Tasseneinfüllhöhe keine Mehrwegbecher anbieten”. Da wünscht man sich schon manchmal etwas Regulierung aus der Politik, zumal unsere 25 Bye Bye Plastikpartner inzwischen bewiesen haben, dass solche Dinge durchaus umsetzbar sind.

Wie ist Ihre Vision für Sylt 2030?

Vieles sollte bis 2030 selbstverständlicher geworden sein:

• Wir alle weniger Plastikmüll produzieren, indem wir vieles lose einkaufen, das Sylter Leitungswasser trinken, statt Wasser in Plastikflaschen und vieles auf Mehrweg umgestellt ist.
• Eine umweltfreundlichere Mobilität, den Reifenabrieb ist der größte Mikroplastikeintrag in die Umwelt.
• Eine sauberere Insel ohne Kippen und Plastikmüll in der Natur, auf der auch jeder Sylter und jeder Gast mal bereit ist, ein paar Stücke Müll aufzusammeln.

Und wir wünschen uns ein Sylt mit mehr umweltfreundlichen Unternehmen und Institutionen, auf der eine gute Vernetzung in Umweltfragen selbstverständlich geworden ist. Denn die Plastikproblematik lässt sich nur gemeinsam lösen.

Liebe Frau Werner, liebe Frau Winkler ich danke Ihnen herzlich für das Interview und Ihre Zeit!

Das Interview führte unsere Nachhaltigkeitsmanagerin Kristina Kreiss.